Öffentliche Bauten fast immer teurer als geplant – warum die Kostensteigerung bei der Beethovenhalle kein Einzelfall ist
Am 29./30. August 2020 berichtete der Bonner General-Anzeiger, dass die Beethovenhalle die Sanierungskosten von 160 Millionen bald erreicht habe. Durch Planungsfehler seien Zusatzkosten entstanden, so z.B. sei das erste Brandschutzkonzept für den großen Saal nicht ausreichend konzipiert gewesen. Was bedeutet, dass umgeplant und verbessert werden musste. In der Gesamtschau liege die Beethovenhalle damit bereits 100 Mio. über den ursprünglich kalkulierten Kosten.
Mit dieser Kostenentwicklung unterscheidet sich die Beethovenhalle allerdings nur wenig von anderen öffentlichen Bauten weltweit. Die Kosten schnellen meistens in die Höhe, aus Millionen werden sogar Milliarden. Völlig gleichgültig, ob es sich um Konzerthallen, Museum oder Bahnhöfe handelt. Am Ende sind öffentliche Bauten deutlich teurer, als sie zuvor geplant wurden.
Nach 14 Jahren Bauzeit wurde das Opernhaus im Hafen von Sydney fertig. Grundlage der Bauentscheidung war eine grobe Skizze des Architekten Utzon. Zu sehen war eine Konstruktion, die einer aufgeschnittenen Artischocke ähnelte. Zehn Millionen Dollar wurden 1957 für den Bau veranschlagt. Fertig wollte man in sechs Jahren sein. Tatsächlich verzweifelten mehrere Ingenieurteams am Bau der komplizierten Dachelemente. Nach einigen Jahren musste das gesamte Fundament abgetragen werden. Als die Oper nach 14 Jahren fertig war, kostete sie mehr als 100 Millionen Dollar. Also das Zehnfache mehr als ursprünglich kalkuliert.
Der Blick ins Ausland dient nur der Erkenntnis, dass öffentliche Bauten auch dort teuer werden als geplant. Eine Studie der Universität Oxford, die 260 Großprojekte in Nordamerika und Europa untersuchte, stellte fest, dass neun von zehn öffentlichen Bauvorhaben teurer als geplant beendet werde.
Viele Beispiele lassen sich in Deutschland finden. So z.B. die Elbphilharmonie, der Gehry-Bau in Herford, als Hoffnung für einen neuen Kulturtourismus in Ostwestfalen in Auftrag gegeben, der Bahnhof in Stuttgart, der BER in Berlin, der Umbau des Stadions in Kaiserslautern, das Stadtschloss in Berlin oder die Oper in Köln – die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. Aber warum ist das so?
Systemimmanente Ursachen – Kostenexplosionen sind in aller Munde
Zahlreiche Studien belegen: Kostensteigerungen bei öffentlichen Großprojekten sind keine Seltenheit. Im Schnitt weisen sie Kostensteigerungen von 80 Prozent auf.
Zum einen schafft das Vergabesystem selbst Anreize, bei Preisangaben unsauber zu operieren. Denn bei öffentlichen Ausschreibungen gewinnt fast immer das günstigste Angebot. Deshalb werden von Bewerbern häufig Leistungen bewusst außen vor gelassen, so dass der Bauherr nachkaufen muss.
Kostensteigerungen, die in der ersten Phase entstehen, ziehen sich als Fehler durch das gesamte Projekt. Oft werden sie erst im späteren Bauverlauf entdeckt, dann wenn Änderungen besonders teuer sind. Zudem werden Unternehmen vielfach nicht genügend in die Planung eingebunden. Das verhindert, Planungsfehler frühzeitig zu entdecken und zu vermeiden. Die Zeitverzögerungen führen zudem dazu, dass Leistungen und Materialien teurer werden.
Eine der häufigsten Ursachen von Kostenexplosionen ist die baubegleitende Planung – es wird mit dem Bau begonnen, ohne dass die nötige Planungstiefe bereits erreicht ist. Dadurch kommt es zu teuren Nachträgen. Unter dem Zeitdruck zum Beethovenjahr 2020 fertig sein zu müssen, lassen sich solche Fehler auch bei der Beethovenhalle feststellen. Der General-Anzeiger berichtet am 6. Juni 2020: „Rechnungsprüfung legt Bericht zu massiven Problemen vor“. Und wieder einmal war es u.a. der Zeitdruck der Planung sowie der Ausführung, die die Bautätigkeit in eine Schieflage geraten ließen.
Ja, und dann werden im Bauverfahren neue Wünsche angemeldet, umgeplant oder der Auftrag deutlich erweitert. Dies erfolgt oft auch aufgrund von parlamentarischen Initiativen oder aufgrund von Wünschen, die an den Bauherrn herangetragen werden.
Um später nicht überrascht zu werden, müssten Räte ihre Beschlüsse auf der Grundlage von vollständigen Planungen und unter Berücksichtigung eines vollständigen Worst-Case-Szenarios treffen. Aufgrund geschönter Zahlen zu entscheiden, führt am Ende zu kostenträchtigen Entwicklungen und zu einer wenig positiven Berichterstattung durch die Medien. Was wiederum zu einem berechtigten Unverständnis bei der Bevölkerung führt.
Ausblick für die Beethovenhalle
Die Elbphilharmonie ist von einem Symbol der Verschwendung zum Liebling der Hamburger geworden. Ich bin mir sicher, dass die Beethovenhalle nach ihrer denkmalrechten Restaurierung, den Rückbauten aus den vergangenen Jahrzehnten, der neuen, aber originalen Farbgebung und der Sichtbarkeit der Formensprache des Gebäudes – sowie mit einem ganz neuen Kammermusiksaal – auch von den Bonnern und Bonnerinnen wieder gerne genutzt wird. 2025 soll die Halle der Bevölkerung wieder übergeben werden. Eine patente Dame an exponierter Stelle über dem Rhein.